Welche Rolle spielt das Innere Kind in Familienaufstellungen?
Die Arbeit mit dem Innere Kind ist in den letzten Jahren zunehmend in das Blickfeld der Persönlichkeitsentwicklung, aber auch therapeutischer Ansätze geraten.
Lesen Sie in diesem Artikel, wie diese Persönlichkeitsanteile entstehen, wie sie sich im Alltag bemerkbar machen und wie wir sie nutzen können, um an und mit ihnen zu einer umfassenderen Persönlichkeit zu wachsen und zu reifen.
Inhalt dieses Artikels:
Was ist das Innere Kind?
Das Innere Kind ist ein psychologisches Konzept, das häufig Anwendung in der Persönlichkeitsentwicklung, in Coaching und Therapie findet.
Es beschreibt Anteile unserer Persönlichkeit, die in unserer Kindheit geprägt wurden.
Das Innere Kind umfasst dabei Gefühle, Erlebnisse und Erinnerungen vor allem aus unseren ersten Lebensjahren - positive wie negative.
Vielfach sind diese unbewusst entstanden und seit der Kindheit in uns abgespeichert.
Sie sind Bestandteil unseres unbewusst wirkenden Welt- und Menschenbildes und bestimmen damit, wie wir unser Umfeld sehen und uns im Kontakt mit dem Umfeld fühlen.
Das Innere Kind begleitet den Erwachsenen in jedem Moment des Lebens und hat Einfluss beispielsweise auf unser Selbstbewusstsein, unsere Ängste oder auch die Art und Weise, wie wir Beziehungen gestalten und erleben.
Wie entsteht und entwickelt sich das Innere Kind?
Die Entwicklung des Inneren Kindes beginnt mit dem Beginn unseres Lebens. Das heißt, dass sich schon Erlebnisse aus der Schwangerschaft tief in unserem Nervensystem und Körpergedächtnis einprägen können.
Was für Erlebnisse haben Sie damals gemacht:
Waren Sie ein Wunschkind oder eher ungewollt?
Kamen Sie zu einem passenden oder eher unpassenden Zeitpunkt?
Wie verlief die Schwangerschaft? Hatte die Mutter eine Zeit der Vorfreude, oder hatte sie in dieser Zeit gesundheitliche Probleme, psychischen Stress, finanzielle Sorgen, Beziehungsprobleme?
Und wie verlief letztlich Ihre Geburt – wurden Sie sanft willkommen geheißen, oder gab es Komplikationen?
Schon in dieser frühesten Lebensphase können entscheidende Überzeugungen entstanden sein:
Ist die Welt für uns ein sicherer Ort oder nicht?
Haben wir gelernt, dass wir liebenswert sind, oder haben wir eher das Gefühl, es wäre besser, wenn wir gar nicht da wären?
Nach der Geburt ist dann der Kontakt mit den Eltern entscheidend und prägend. Das Baby selber kann seine Gefühle noch nicht regulieren. Es benötigt die Eltern sowohl um positive, freudvolle oder anregende Gefühle zu erzeugen, als auch, um zu trösten, zu beruhigen und um Sicherheit und Geborgenheit zu geben.
Wenn das Kleinkind dann anfängt, die Welt zu erobern, stößt es naturgemäß auf Grenzen. Diese sind wichtig, damit das Kind ein Bild von der Welt im Ganzen sowie seinem sozialen Umfeld gewinnen kann.
Die Frage ist, werden diese ihm liebevoll gesetzt, mit genügend Spielraum zu Entfaltung der kleinen Persönlichkeit? Oder haben die Eltern Grenzen hart oder willkürlich gesetzt, jedes Mal anders, wurde viel kritisiert?
Alle diese Erlebnisse bilden Puzzlestücke, die das Kind zu einem Bild von der Welt um sich herum, aber auch von sich und den Eltern zusammensetzt.
Jedes Erlebnis wird im Unterbewusstsein in einen Glaubenssatz übersetzt.
Positive Glaubenssätze wären beispielsweise:
Ich bin geliebt.
Ich bin willkommen.
Ich kann das.
Ich habe Unterstützung.
Ich darf mich ausprobieren und Fehler machen.
Negative Glaubenssätze, die sich aus schlechten Erfahrungen entwickeln können, sind:
Ich bin nichts wert.
Ich bin Schuld.
Ich kann nichts.
Ich bin ohnmächtig.
Ich muss mich anpassen.
Ich darf keine Schwäche zeigen.
Wenn Sie unter schwierigen Bedingungen aufgewachsen sind oder schlimme Erlebnisse in der Kindheit hatten, wäre es gut, "unperfektes" Verhalten der Eltern möglichst nicht pauschal zu kritisieren oder auch zu verteufeln.
Viele Eltern haben selbst als Kind nicht das bekommen, was sie emotional benötigt hätten, und haben daher nie die Ressourcen entwickelt, ein kleines Wesen gut aufzuziehen.
Möglicherweise sind sie in Kriegszeiten aufgewachsen, haben Hunger erlebt oder Misshandlungen.
Dann ist es für Sie eventuell ratsam, mit Hilfe von einem Coach oder Therapeuten, ein wertschätzendes Bild zu erarbeiten, um das Gute von damals mitzunehmen und das Belastende hinter sich zu lassen.
Welche Wirkung hat das Innere Kind auf den Alltag des Erwachsenen?
Die Glaubenssätze und Überzeugungen, die sich in der frühen Kindheit gebildet und eingeprägt haben, bestimmen auch das Leben und das Weltbild des Jugendlichen und Erwachsenen - sofern sie nicht bewusst oder unbewusst abgewandelt werden.
Das Innere Kind begleitet den Erwachsenen somit gewissermaßen auf Schritt und Tritt, positive wie negative Überzeugungen und Gefühle können jederzeit aktiviert werden.
Beispiele, in denen sich verletzte kindliche Anteile in uns melden, kennen die meisten Menschen in der einen oder anderen Form, von sich selbst oder anderen:
Angst vor Streit genauso wie ein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis
die plötzliche Wut, wenn z.B. ein Vorgesetzter etwas von uns verlangt
die Eifersucht, mit der wir unseren Partner verfolgen, gepaart mit der Angst, von ihm verlassen zu werden
Aggression auf selbst kleinste Kritik
Schüchternheit fremden Personen gegenüber
die Angst vor dem Versagen, übergroße Selbstzweifel
Angst vor Ablehnung
das Bemühen, keine Fehler zu machen, perfekt zu sein
Hinter diesen Situationen und Gefühlen stecken die Überzeugungen, die wir als Kind entwickelt haben.
Aber nicht alles aus der Kindheit ist negativ! Auch positive Erlebnisse haben unser Weltbild geformt und speisen jetzt noch unsere Lebensfreude, Neugier, unseren Unternehmergeist oder unser Vertrauen darin, dass es schon gut werden wird.
Was ist eine Familienaufstellung und welche Rolle spielen unsere kindlichen Anteile dabei?
Eine Familienaufstellung oder allgemein eine systemische Aufstellung betrachtet ein „System“, also eine Familie oder Gruppe von Menschen, die miteinander in Beziehung stehen.
Kennzeichnend ist dabei, dass alle Mitglieder einer solchen Gruppe sich gegenseitig beeinflussen. Sie sind quasi wie durch unsichtbare Bänder miteinander verbunden und jedes Verhalten eines Mitglieds hat Auswirkung auf die anderen, mal mehr und mal weniger.
Eine Aufstellung stellt dieses System dar, es kann von außen betrachtet werden und die Wirkmechanismen zwischen den Mitgliedern werden sichtbar und spürbar.
Das ist die Grundlage dafür, dass heilsame Impulse gesetzt werden können, die das System in ein neues Gleichgewicht bringen sollen, in dem mehr Harmonie herrscht, Belastungen abnehmen und alle Mitglieder der Familie oder Gruppe sich möglichst wohlfühlen.
Ausführlich habe ich Familienaufstellungen in diesem Blogbeitrag besprochen (Wirkungsweise, Ablauf, Anwendungsmöglichkeiten etc.).
Weiterführende Informationen über die Möglichkeit, Aufstellungen selbst durchzuführen, lesen Sie hier, und über transgenerationales Trauma informiere ich in diesem Beitrag.
Für Aufstellungen spielt das Innere Kind in zweierlei Hinsicht eine wichtige Rolle:
Das Innere Kind als Teil der Persönlichkeit von aufstellenden Personen
Dadurch, dass viele unserer persönlichen Schwächen, Ängste, Selbstwertprobleme oder Unsicherheiten auf früheste Kindheitserfahrungen zurückgehen, sind diese (und damit auch das Innere Kind) auch Ursprung vieler Themen, die in Aufstellungen betrachtet werden.
Auch oder gerade wenn man sich vielleicht fragt, was nur die Ursache für ein problematisch empfundenes Verhaltensmuster sein kann, und man das mit einer Familienaufstellung klären möchte, liegt die Antwort oft in der Kindheit.
Von daher lässt sich sagen, dass das Innere Kind in aller Regel "dabei" ist, wenn jemand eine Aufstellung macht.
Mit diesem Wissen im Hinterkopf lässt sich so manche Aufstellung besser verstehen, und die Einbeziehung kindlicher Persönlichkeitsanteile kann das Erarbeiten guter Lösungen erleichtern oder überhaupt erst möglich machen.
Aufstellungen mit dem Fokus auf dem Inneren Kind
Aufstellungen sind eine gute Möglichkeit:
um mit dem Inneren Kind in Kontakt zu kommen
um einen Eindruck zu bekommen, wie es ihm geht und was es beschäftigt oder bedrückt
und um kindliche Anteile zu integrieren oder heilsame Impulse zu setzen
Jede Entwicklung, die das Innere Kind dabei vollzieht, stärkt auch den Erwachsenen, macht ihn freier, zufriedener oder selbstbewusster.
Dabei ist es relativ unerheblich, ob eine Aufstellung in der Gruppe oder in einer Einzelarbeit durchgeführt wird.
Mögliche Positionen, die dabei aufgestellt und angeschaut werden, können beispielsweise sein:
Das Innere Kind, der Innere Erwachsene, die aufstellende Person als Ganzes, und bei Bedarf einzelne Blockaden/konkrete Themen, die (idealen) Eltern oder auch die Großeltern und andere nahestehende Personen.
Weitere Möglichkeiten, das Innere Kind zu heilen
Falls Sie sich für rationale Ansätze im Umgang mit dem Inneren Kind interessieren, empfehlen sich Methoden zur Arbeit mit Glaubenssätzen. Diese sind es ja, die in der frühen Kindheit geprägt wurden und noch tief in uns wirken.
Nennen möchte ich hier beispielhaft „The Work“ von Byron Katie oder auch das Klopfen bzw. die Klopf-Akupressur (PEP, EFT oder MET).
Ein häufiger Ansatz, um mit seinem Inneren Kind in Kontakt zu treten, sind Visualisierungen und Meditationen.
Dabei wird ohne inneren Druck und mit Achtsamkeit das Innere Kind zunächst beobachtet. Wenn beide Seiten es möchten und es sich gut anfühlt, kann ein Kontakt aufgebaut werden, ein inneres Gespräch oder auch ein imaginierter Körperkontakt, der sehr heilsam sein kann.
Wichtig dabei ist, das Innere Kind am Ende dieser Übungen an einem guten Ort zu lassen. Sie können es beispielsweise an einen sicheren Ort bringen, an dem es spielen und sich entwickeln kann, bis Sie es wieder besuchen möchten. Eine andere Möglichkeit wäre, das Kind in Ihr Herz aufzunehmen und zu integrieren, besonders, wenn Sie einen schönen und engen Kontakt hergestellt haben. Dafür können Sie das Bild des Kindes kleiner werden lassen, bis es klein genug ist, um in Ihr Herz aufgenommen zu werden.
Solche Visualisierungen können auch Teil einer Hypnose-Sitzung sein, in der Sie in Begleitung eines Therapeuten oder einer Therapeutin tiefgreifende Heilungsimpulse setzen können.
Fazit
Das Innere Kind ist ein untrennbarer Anteil unserer Persönlichkeit und daher auch in Aufstellungen oft gegenwärtig. Gleichzeitig ist es der Anteil in uns, in dem unser Weltbild, unsere Ängste, aber auch unsere sozialen Kompetenzen geprägt wurden und eingespeichert sind.
Von daher ist die Beschäftigung mit dem Inneren Kind ein sehr lohnenswerter Ansatz, um sich persönlich weiterzuentwickeln.
Gerne unterstütze ich Sie dabei – mit Familienaufstellungen, Hypnose-Sitzungen oder einfach im Gespräch!
Herzlichst,
Ihre Bettina Grill
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